Wieder sind zwei Tage rum und ich komme meinem endgültigen Ziel, Santiago immer näher. Es sind nur noch drei Etappen. Aber von vorn. Gestern startete ich noch aus Vilalba. Es ging früh los und Ramon und ich liefen auch das erste Stück noch gemeinsam – Ziel war der zweite Kaffee, dann sollten sich unsere Wege erst einmal wieder trennen.

In der Gegend gibt es nicht so viel Infrastruktur, so dass es immerhin beinahe 10 km waren, bis wir ein Kaffee fanden. Wir saßen zusammen, unterhielten uns noch ein wenig – dann kam der Abschied. Wir hatten uns mittlerweile gut angefreundet – aber es sollte ein Abschied auf Zeit sein – wir beide wollten unseren Gedanken nachgehen und das jeweils in unserer eigenen Geschwindigkeit – das ist der Weg! Ich blieb noch eine Weile sitzen – dann brach auch ich auf. Ich glaube meine Schuhe sind langsam am Ende – jedenfalls fühlen sie sich ganz schön abgelaufen an.

Die Strecke ging wieder viel über abgelegene Wege und durch einsame Weiler – wenn nicht hinter jedem zweiten Tor ein bis viele Hunde auftauchen und mich ankläffen würden, könnte man echt denken, die Ecke sei total verlassen. Die Etappe des Tages lief aber auch durch viel Wald und an Feldern vorbei. Ich hatte mir ohnehin nur eine relativ kurze Etappe rausgesucht – rund 22 km sollten es nur sein.


Ich ließ mir Zeit, nutzte das schöne Wetter auch für ausgedehnte Pausen und folgte meinem Vorhaben meine Hängematte wenigstens einmal pro Tag ausgepackt und genutzt zu haben. Die Blicke der vorbeiziehenden Pilger waren sehr vielsagend …
Die Suche nach einer Herberge gestaltete sich etwas komplizierter. Die Hostels waren mir zu teuer und die Bewertungen der Pilgerherberge recht gut – also ging ich dorthin … sauber ja – aber im Prinzip eine große Halle und in der Küche gab es nichts – wirklich gar nichts … kein Besteck, kein Geschirr nicht mal einen Kühlschrank. Also ging ich in eine der Bars eine Kleinigkeit essen. Die Betten waren ebenfalls nicht gut … wieder Gummimatratzen, sehr schmal und überhaupt keine Abtrennung – es sah aus wie in einer notdürftigen Flüchtlingsunterkunft. Ich war etwas enttäuscht.
Die Nacht war ebenfalls sehr unruhig – einer der älteren Herren hatte scheinbar einen Albtraum jedenfalls schrie er mitten in der Nacht so laut, dass alle wach wurden – es war halb vier und ich brauchte eine Weile, bis ich wieder einschlafen konnte. Gegen 6 Uhr stand ich auf – meine Rücksicht hielt sich in Grenzen – ich machte das Licht an und packte meine Sachen. Gegen 7 Uhr ging es los.
Hier steht ein sehr wichtiger Kilometerstein. Baamonde markiert die für Pilger wichtige Grenze von 100 km, die man auf dem Camino zurücklegen muss, um auch eine Compostela erhalten zu können. Leider steht dieser Stein sehr unspektakulär an einer Straße bzw. den daran vorbeiziehenden Schienen. Aber es war durchaus ein komisches Gefühl, den Stein zu passieren – schließlich waren es von hier nur noch 100km bis Santiago.


Ich verpasste natürlich den ersten Abzweig und musste so die ersten vier Kilometer entlang einer nicht so schönen Hauptstraße gehen – aber nach ca. 40 Minuten erreichte ich schließlich den Punkt an dem die zwei Routen zusammengeführt wurden – es ging über eine sehr alte Brücke in den Wald.

Ab hier waren es weitere zwei Kilometer bis zu dem Punkt an dem ich entscheiden müsste, ob ich direkt nach Sobrado dos Monxes gehen würde (33 km) oder den alten Camino mit einem Umweg von rund 8 km. Da ich gelesen hatte, dass es in der Herberge in A Roxica, in der ich ursprünglich schlafen wollte, Bettwanzen geben soll, verwarf ich meinen Plan den längeren Weg aufzuteilen und nahm den neuen Weg. Entgegen der Angaben, dass es keine Infrastruktur auf dem Weg gibt, fand ich zwei Möglichkeiten mich bei einem Café auszuruhen, Verpflegung zu kaufen und so den Weg relativ entspannt zurücklegen zu können.




Ich fand sogar noch eine Alternative zum eigentlich Weg, die viel schöner und landschaftlich deutlich angenehmer war, als der ursprüngliche.


Nach ungefähr 12 km erreichte ich eine Bar in der ich zu Mittag essen und mich für den Rest des Weges stärken und sogar meine Wasservorräte auffüllen konnte.


Von hier waren es noch rund 20 km. Ich kam gut voran, machte immer mal eine kurze Pause und gegen 15 Uhr fand ich zwei passende Bäume an denen ich meine Hängematte anbringen und Siesta machen konnte. Insgesamt war der Tag sehr gut. Gegen 17 Uhr erreichte ich schließlich Sobrado …


Die Pläne für morgen haben sich auch wieder geändert – ich werde nun doch nicht hier bleiben sondern 12 km weiterziehen um von dort aus dann am Sonntag auf den Camino Frances einzuschwenken. Ramon war heute auch hier. Wir haben uns im Kloster beim Gebet der Mönche getroffen und sind abschließend noch etwas essen gegangen. Morgen trennen sich unsere Wege wieder.
Fazit:
- Ich bin Hin- und hergerissen – einerseits bin ich traurig, dass ich nur noch drei Etappen habe und andererseits freue ich mich auf das Ziel
- Ich meide noch Alltagsdinge – der Alltag holt mich früh genug ein
- was mache ich eigentlich mit meinem Pilgerbart?
- Das Leben kann echt sehr entspannt sein – warum machen wir es eigentlich immer so kompliziert?
- Mein Köper hat sich sehr an die Bewegung gewöhnt – ich schwitze kaum noch und wenn meine Füße nicht so durch das Gewicht des Rucksacks in Mitleidenschaft gezogen wären, könnte ich noch viel weitere Strecken gehen – faszinierend wie verweichlicht wir doch sind und was der Mensch so kann …
- Ach ja … nur noch 60 km …
