Nachdem sie letzten Nächte immer sehr kurz oder unruhig waren, hatte ich diese Nacht das Glück in einem Raum zu sein, in dem nur Leute waren, die keine Geräusche von sich gegeben haben. Entsprechend tief und fest und vor allem lange könnte ich schlafen.
Ich hatte gestern schon Schlaf nachholen müssen und fast den ganzen Nachmittag verschlafen. Aber auch abends war nichts mit mir los – wir wollten eigentlich bei einem netten Abendessen zu acht das Fußballspiel zwischen Spanien und Iran sehen, ich war aber so müde, dass ich bereits vor Ende der ersten Halbzeit ins Bett gegangen bin.
Der Morgen startete gemächlich und erst gegen 7:30 Uhr wollten wir aufbrechen. Ich hatte meinen Rucksack gepackt und gemeinsam sind wir aufgebrochen. Nach etwa einem km fiel mir siedend heiß ein, dass ich ja am Nachmittag meine Hose gewaschen hatte und meine Karte sowie mein Pilgerausweis fehlte – ich hatte beides immer in meiner Hosentasche.
Wir stoppten und ich durchwühlte meinen Rucksack – der Pilgerausweis war da – das Buch fehlte. Ich musste kurz nachdenken, ob ich das Buch brauchte, aber wie ich darüber nachdachte, musste ich mit den Tränen kämpfen – das Buch war mir wichtig geworden – es begleitete mich nun seit Beginn der Reise und war mein engster Begleiter geworden – ich konnte und wollte nicht darauf verzichten.
Meine Begleiter zögerten kurz aber ich sagte, dass wir uns ja sicher Wiedersehen und sie einfach weitergehen sollten. Also kehrte ich um.
Das Buch lag zum Glück auf der Rezeption, dass ich es beim waschen zur Seite gelegt hatte und andere Pilger es gefunden und bei der Rezeption abgelegt haben, sollte ich erst später erfahren. Ich war erleichtert, dass ich es wieder hatte, packte alles zusammen und lief los.
Dieser Tag war seltsam – ich habe zwar zu meinen Begleitern der letzten zwei Tage wieder aufschließen können, aber irgendwie kam kein Gespräch zustande und auch ich wollte eigentlich heute eher für mich sein. Nach und nach beschleunigte ich den Schritt gemächlich und wartete ab ob die anderen aufschließen – das taten sie nicht, also war ich für mich – und irgendwie war ich froh drüber denn die Situation heute morgen hatte mich unerklärlicherweise ziemlich aufgewühlt – ich wollte alleine sein.
Der Weg selbst war wunderschön. Es ging alsbald in die Berge und ich hatte einige anstrengende Anstiege zu bewältigen – ja, eigentlich lächerliche Höhen, aber da ich in den letzten Tagen ja eher in flachem Terrain unterwegs war, waren die rund 140 m Anstieg doch recht anstrengend.
Der Ausblick jedoch war überwältigend. Der Weg war wirklich toll und auch die Hitze hielt sich noch in Grenzen. Es zeigte sich wieder, dass es eine Gute Idee ist den Pfeilen zu folgen und übrigens – bis Baiona habe ich das Handy nur zum Fotografieren genutzt – Navigation war unnötig geworden.
Auf der Strecke bin ich noch mal auf eine andere Frau getroffen, die mir schonmal vor ein paar Tagen über den Weg gelaufen ist – sie stammte aus Frankfurt, quatschte unentwegt und war wirklich extrem anstrengend. Zum Glück trennten sich unsere Wege alsbald wieder, da ich den Pfeilen folgen und sie eine kürzere Route nehmen wollte.
Ich erreichte dann Baiona und besuchte die Kleine aber sehr alte Kirche. Als ich so alleine in der Kirche saß überwältigten mich erneut meine Emotionen. Ich blieb eine Weile sitzen und ließ den Let auf mich wirken – erst als andere Pilger kamen, setzte ich meinen Rucksack wieder auf und meinen Weg fort.
Die restlichen 4 km verliefen entlang kleiner Läden, Tourismusfallen und einen ziemlich wenig einladenden Strand. Ich hatte wenig Lust anzuhalten – aber ich merkte, dass ich heute etwas neben mir war. Als ich einen kleinen Supermarkt erspähte – der erste seit zwei Tagen – ging ich hinein, um mir etwas zu essen für mein Quartier zu kaufen – spanischen Schafskäse und etwas Weißbrot sowie ein Pfirsich und Wasser.
Ich lief los – meine Einkäufe in der Hand – und als ich etwa drei km weiter war, fiel mir auf, dass ich meinen inzwischen heißgeliebten Wanderstab habe stehen lassen – ich hatte ihn auf dem Weg nach A Guarda entdeckt – er war aus dem Holz eines Eukalyptusbaumes und ich hatte ihn inzwischen etwas bearbeitet und wollte ihn eigentlich behalten. Da ich nun aber schon so weit gelaufen und auch inzwischen recht erschöpft war, entschied ich mich dagegen noch mal umzukehren. Irgendwie hatte ich genug – einen Stab würde ich wieder finden.
Gegen 12:30 erreichte ich schließlich meine Herberge – ein Kloster inmitten von A Ramallosa. Ich richtete mich auf riesige Schlafsäle ein und war total happy, als ich sah, dass es Einzelzimmer für 15 Euro gibt. Ich bezog also mein Quartier für die Nacht und suchte die Waschräume auf – und man kann sich das kaum vorstellen – aber als ich eine Badewanne sah, machte mich die Vorfreude auf ein heißes Bad echt glücklich!
Ich badete also, schlief und las – ich bin froh, dass es heute nur rund 18 km waren und dass ich hier Bedingungen vorfand, die es mir erlaubten mich zu erholen und für den nächsten Tag vorzubereiten.
Mein Fazit:
- Wenn man seit sechs Tagen pilgert und mehr als 150 km zurückgelegt hat, ist eine Badewanne ein Geschenk!
- Emotionen können unerwartet und völlig aus der Kalten kommen – es ist gut wenn man sie annehmen kann
- Menschen können nerven – ja ich auch!
- Der Weg ist das Ziel – spirituelle Erleuchtung lässt noch auf sich warten – oder ich hab sie noch nicht erkannt
- Heute waren es nur 18 km – aber auch das tut gut …. die letzten Etappen – speziell die nach Santiago wird hart werden – also ist es ein letztes Training
- Wenn Sonnenbrand nach vier Tagen nasse Blasen wirft, war er wohl doch heftiger 😉